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Gestaltung der Lebensräume

  • Writer: Johanna Thompson
    Johanna Thompson
  • Aug 27
  • 4 min read

Nachdem die Becken fertiggestellt sind, beginnt die eigentliche gestalterische Arbeit. Ziel ist es, den zukünftigen Bewohnern einen Lebensraum zu schaffen, in dem sie sich maximal wohlfühlen. Dieser Schritt ist für uns essenziell und entsteht immer im engen Austausch zwischen Kuratoren, Pflegern und Gestaltern. Für Simon Arnold ist es Berufung, Aquarien zu entwerfen, die sowohl dem Tierwohl dienen als auch Besucherinnen und Besucher begeistern. Seit über drei Jahrzehnten baut er Unterwasserwelten, die den Zauber des Ozeans in Ausstellungsräume bringen. Im Interview erzählt er, worauf es dabei wirklich ankommt und warum Aquarien für ihn mehr sind als bloße Schaukästen.

Simon im Riffbecken
Simon Arnold gestaltet hier ein neues Korallenbecken für AQWA in Perth, Australien.

Simon, wie sind Sie dazu gekommen, Unterwasserwelten zu gestalten?

Kia ora! Ich bin an der wilden, wunderschönen Küste Neuseelands aufgewachsen. Als Kinder sind wir getaucht, gesegelt, haben in Gezeitentümpeln gespielt und die Strände durchstreift. Der Südpazifik war immer da – ob wir Trost suchten, etwas feiern wollten oder Inspiration brauchten. Diese frühen Erinnerungen an Küste und Unterwasserwelt prägen meine Arbeit bis heute. Nach meinem Biologie- und Geologiestudium begann ich, Wissenschaft und Kunst zu verbinden, um Lebensräume nachzugestalten. Damals gab es keine Handbücher für Aquarienbau, man musste sich alles selbst durch Experimentieren erarbeiten. Das waren die Pionierzeiten des Ozeanarium-Designs. Heute, 36 Jahre später, habe ich das Privileg, weltweit aquatische und terrestrische Lebensräume zu entwerfen und zu bauen. Seit 22 Jahren arbeite ich ausschließlich mit Coral World zusammen, einem Unternehmen, dem das Meer wirklich am Herzen liegt. Gemeinsam erschaffen wir Ausstellungen, die dem Leben im Ozean Respekt zollen und den Besucherinnen und Besuchern ein authentisches Fenster in die Unterwasserwelt eröffnen.


Was ist für Sie das Schönste an der Arbeit mit Aquarien?

Am lohnendsten ist es, die Tiere gedeihen zu sehen. Sie sind die Botschafter des Ozeans, und wir schulden ihnen unseren vollen Respekt. Das bedeutet: ihnen ausreichend Platz, die richtigen sozialen Strukturen und einen Lebensraum zu geben, der sich echt anfühlt. Wenn sich die Tiere natürlich verhalten und gesund aussehen, ist das der Beweis, dass wir alles richtig gemacht haben und das ist ein äußerst befriedigendes Gefühl.


Wie bringen Sie das Wohl der Tiere mit der Ästhetik in Einklang?

Da gibt es keine Kompromisse: Die Tiere stehen immer an erster Stelle, sie sind die zentralen Figuren. Gleichzeitig müssen wir auch an die Pflegerinnen und Pfleger denken, die die Tiere täglich betreuen. Die Anlagen müssen zugänglich und gut zu handhaben sein. Und schließlich geht es auch um die Besucher: Sie sollen eine Erfahrung machen, die sich echt anfühlt, nicht künstlich. Im Idealfall profitieren also alle: Tiere, Aquaristen und Publikum.


Riffstruktur
Der Prozess der Gestaltung von Korallenriffen ist komplex.

Können Sie uns den Gestaltungsprozess beschreiben?

Alles beginnt mit Zusammenarbeit. Unser Auftraggeber und der leitende Kurator legen fest, welche Arten und Geschichten wir zeigen wollen. Da wir alle erfahrene Taucher sind, sprechen wir die gleiche Sprache und wissen genau, welche Unterwasserszenen wir erschaffen möchten.

Danach fertige ich 3D-Modelle oder Ton-Mock-ups an, und das gesamte Team bringt Ideen und Rückmeldungen ein. Manchmal ist das sehr amüsant, denn jeder hat eine Meinung, aber so bleibt kein Detail dem Zufall überlassen.

Während des gesamten Prozesses halten wir uns strikt an internationale Richtlinien wie die EU-Zoorichtlinie, die WAZA und die EAZA-Kodizes. In einigen Fällen hat unser Team sogar internationale Standards für künstliche Korallenlebensräume mitentwickelt – darauf bin ich stolz.


Große Becken stellen sicher besondere Herausforderungen dar. Wie gehen Sie damit um?

In der Tat. Oft müssen wir mit der Gestaltung beginnen, während das restliche Gebäude noch entsteht, also in der „nassen“ Betonphase. Das bedeutet Arbeit unter extremen Bedingungen: manchmal -20°C bei Winterprojekten, andere Male +45°C in der Wüste oder 90 Prozent Luftfeuchtigkeit in den Tropen.

Dazu kommt, dass wir riesige organische Skulpturen erschaffen, bevor es Strom, Wasser oder Licht gibt und wir uns über Gerüste in halbfertigen Gebäuden bewegen müssen. Körperlich ist das extrem anstrengend, aber die Überzeugung, dass die fertigen Ausstellungen die Menschen berühren und für das Meer begeistern, motiviert uns dennoch.


Korallenfelsersatz
Simon's spezieller Fels-Ersatz ist in Berlin angekommen.

Welche Materialien verwenden Sie, und wie stellen Sie sicher, dass sie für die Tiere unbedenklich sind?

Alles, was wir einsetzen, muss völlig inert sein, also keine schädlichen Stoffe abgeben oder die Wasserqualität verändern. Nach Fertigstellung wird jedes Exponat gründlich eingeweicht und mehrfach gespült, bevor Tiere einziehen.

Gerade bei Korallenriffen war es uns wichtig, von schädlichen Praktiken wegzukommen.

Früher hat man oft echtes Korallengestein verwendet, oft durch Dynamit aus lebenden Riffen gewonnen, eine Katastrophe für die Umwelt. Vor über 20 Jahren habe ich deshalb einen Korallenfels-Ersatz entwickelt, hergestellt aus natürlichen, inerten Materialien. Er ist leicht, porös und umweltfreundlich. Dadurch können sich Algen und Mikroorganismen ansiedeln, die wiederum zur Entstehung eines lebenden Riffs beitragen. Was am wichtigsten ist: Kein einziges natürliches Riff wird dabei zerstört.


Gestalten Sie auch die Beleuchtung?

Nein, die Beleuchtung übernehmen die Aquaristen. Sie muss exakt auf die Bedürfnisse der Korallen und Tiere abgestimmt sein. Meine Aufgabe ist es, die Riffstruktur so zu formen, dass das Licht dort ankommt, wo es der Kurator vorgesehen hat. Er arbeitet in gewisser Weise wie ein Gärtner, der genau weiß, wo welche Koralle wachsen soll.


Wie berücksichtigen Sie das langfristige Wachstum, besonders bei lebenden Korallen?

Wir planen Ausstellungen auf Dauer, wie einen Garten, der sich ständig weiterentwickelt. Die Grundstrukturen müssen so stabil sein, dass sie jahrzehntelanges Korallenwachstum tragen. Im Gegensatz zu Filmkulissen, die nach kurzer Zeit abgebaut werden, müssen Aquarienhabitate von Anfang an perfekt funktionieren. Man kann ein Riffbecken nicht einfach ablassen, um etwas zu reparieren. Das ist eine große Verantwortung, aber auch unglaublich lohnend. Wenn Korallen unsere Strukturen langsam überwachsen, fühlt sich das an wie eine Gemeinschaftsarbeit von Kunst und Natur.


Was macht für Sie ein wirklich herausragendes Aquarium aus?

Für mich ist es Authentizität. Keine künstlichen Korallen, keine Requisiten, nur echte Lebensräume, ausgewogen zusammengesetzte Arten, stimmige Filterung und natürliche Beleuchtung. Wenn all diese Elemente zusammenpassen, entfaltet sich die Schönheit von selbst. Besucherinnen und Besucher sehen dann nicht einfach nur ein Becken – sie erleben einen echten Ausschnitt aus dem Meer. Und wenn das dazu führt, dass sie Empathie für das Leben im Ozean entwickeln, haben wir unser Ziel erreicht.

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